EXPERTENINTERVIEW EXPERTENTELEFON „Burn-out“ am 26.01.2012

Experteninterview zum Thema „Burn-out”

Interview mit PD Dr. med. Christine Rummel-Kluge, Geschäftsführerin der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, und mit Detlef Staadt, Diplom-Psychologe, Offenburg.

  

 

 

 

 

Was genau versteht man unter dem Burn-out-Syndrom?

  • PD Dr. med. Christine Rummel-Kluge: Typischerweise versteht man unter dem Burn-out-Syndrom einen Zustand emotionaler Erschöpfung, einhergehend mit verminderter Leistungsfähigkeit. Hinter einem „Burn-out“ kann aber auch eine depressive Erkrankung stecken oder sich daraus entwickeln.

Durch welche Faktoren wird die Entstehung eines Burn-out-Syndroms begünstigt?

  • PD Dr. med. Christine Rummel-Kluge: Ungünstige Arbeitsbedingungen oder ein schlechtes Betriebsklima, zu viel Zeitdruck oder zu geringe Unterstützung durch den Vorgesetzten werden mit der Entstehung eines Burn-out-Syndroms in Verbindung gebracht, allerdings sind diese Faktoren noch wenig erforscht. Bei der persönlichen Disposition des Betroffenen liegt ein Risiko etwa dann vor, wenn über dem Bedürfnis, der Aufgabe und den gesteckten Zielen gerecht zu werden, eigene Bedürfnisse und Grenzen vernachlässigt oder ignoriert werden.

Werden nach Ihrer Erfahrung die Symptome eines Burn-outs von den Betroffenen rechtzeitig erkannt?

  • PD Dr. med. Christine Rummel-Kluge: Nein, viele Betroffene erkennen die Symptome leider oft lange nicht. Dafür kann es ganz unterschiedliche Gründe geben.

Welche Präventionsmaßnahmen zur Vorbeugung eines Burn-out-Syndroms gibt es?

  • PD Dr. med. Christine Rummel-Kluge: Präventive Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung erscheinen sinnvoll, da das Burn-out-Syndrom in der Regel durch Konflikte am Arbeitsplatz ausgelöst wird. Auch die Einführung von Arbeitszeitmodellen sowie die Durchführung einer Supervision werden empfohlen.

Was passiert in einer Therapie gegen das Burn-out-Syndrom?

  • PD Dr. med. Christine Rummel-Kluge: Es gibt Hinweise darauf, dass sowohl personen- als auch organisationsbezogene Interventionen wirksam sind. Die Wissenschaft steht hier jedoch erst am Anfang. Therapeutische Ansätze hängen auch von der Ausprägung des Burn-out-Syndroms ab. Bei leichterem Schweregrad wird eine Optimierung der „Work-Life-Balance“ empfohlen: Entlastung von Stressfaktoren, Erholung durch Entspannung und Sport sowie der Abschied von Perfektionsvorstellungen. Bei stärkeren Formen kommen Psychotherapie und medikamentöse Behandlung zum Einsatz.

Wann ist bei einem Burn-out-Syndrom ein stationärer Aufenthalt angezeigt?

  • Detlef Staadt: Ein stationärer Aufenthalt sollte dann eingeleitet werden, wenn eine physikalisch-psychische Trennung und Distanzierung zum privaten und beruflichen Alltag eines Betroffenen zur Aufarbeitung seiner Thematik hilfreich beziehungsweise notwendig ist. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn eine innere, angemessene „Distanzierungsfähigkeit“ verloren gegangen ist. Der Betroffene beschäftigt sich dann auch im Privatleben noch ständig mit Fragen und Problemen aus dem Berufsalltag, ohne dass er dies möchte oder noch kontrolliert steuern könnte.

Wie hängen Burn-out und Depressionen zusammen bzw. wo liegen die Unterschiede in den beiden Diagnosen?

  • Detlef Staadt: Bei Burn-out und Depressionen gleichermaßen vorhanden sind beispielsweise deutlich ausgeprägte emotionale Erschöpfungen, ein reduziertes Engagement und soziale Rückzugstendenzen, parallel begleitet von psychosomatischen Reaktionen. Dabei tritt insbesondere sehr häufig eine verminderte Schlafqualität auf. Es gibt aber auch große Unterschiede: Beim Burn-Out-Syndrom sind Symptome wie eine „Depersonalisation“ (Verlust bzw. die Veränderung des ursprünglichen natürlichen Persönlichkeitsgefühls) und Zynismus meist deutlich vorhanden. Bei Depressionen sind es dagegen Symptome wie Selbstwertverlust und / oder Suizidalität. Ein Betroffener kann natürlich sowohl die Symptome eines Burn-Out-Syndroms als auch einer Depression entwickeln. Aufgrund der Überschneidungen hinsichtlich der Symptomatik kann ein Burn-Out-Syndrom auch ein Risikofaktor für eine Depression darstellen.

Was ist Mobbing und wie unterscheidet es sich von „normalen“ Konflikten?

  • Detlef Staadt: Im Unterschied zu „normalen“ Konflikten ist Mobbing ein Phänomen, bei dem Kränkungen des Gegenübers nicht nur zufällig und unbeabsichtigt geschehen, sondern eventuell sogar zielgerichtet und vorsätzlich herbeigeführt, zumindest aber billigend in Kauf genommen werden. Dies kann aktiv beispielsweise in Form von Ärgern oder Schikanieren geschehen, aber auch passiv etwa durch „Schneiden“ und Ausgrenzungen. Beim typischen Mobbing kennen sich die Beteiligten meistens persönlich, die physische Gegenwart aller Beteiligten ist meist ebenfalls notwendig.

Was versteht man unter „Cyber-Mobbing“?

  • Detlef Staadt: Beim Cyber-Mobbing werden Internet-Plattformen und -netzwerke benutzt, um andere Menschen anzugreifen oder in Misskredit zu bringen oder gar zu beleidigen. Das kann durch Texte, Fotos oder Videos geschehen. Überdurchschnittlich häufig sind davon in den letzten Jahren Schüler und Jugendliche betroffen. Da diese meist in der Pubertät sind, sind auch die emotionalen Folgen aufgrund der typischen Empfindlichkeit und Verletzbarkeit in dieser Lebensphase besonders groß.

Wie kann man sich ein von „Cyber-Mobbing“ Betroffener sinnvoll wehren?

  • Detlef Staadt: Findet Cyber-Mobbing unter Schülern statt, sollten Betroffene unbedingt die Eltern, Lehrer, Vertrauenslehrer und die Schulleitung einschalten. Beim anonymen Cyber-Mobbing – bei dem der Urheber nicht feststellbar ist – sollten die Netzwerkbetreiber und Homepage-Anbieter möglichst schnell über problematische Seiteninhalte informiert und es sollte eine Löschung der Inhalte eingefordert werden. Hinweise und Tipps gibt es etwa auf den Seiten www.saferinternet.de, www.jugendschutz.net oder www.klicksafe.de. Auch das Einschalten der Polizei kann sehr sinnvoll und notwendig sein. Wichtig ist natürlich die Prävention: Jeder, der im Internet Informationen von sich preisgibt, muss wissen, dass er sich dadurch unter Umständen für Cyber-Mobbing angreifbar macht.
Quelle: deutsche journalisten dienste (djd),